Selbstwirksamkeit erfahren und Selbstvertrauen tanken – darum ging es für die Geflüchteten beim Klettern in der Hersbrucker Schweiz. Erste Impressionen vermittelt dieser Clip. (Das Video drehte Trainer Jan Pliszewski)

Klettern, Sichern, Abseilen, und das alles im interkulturellen Team und in der Fremdsprache Deutsch, das waren Schwerpunkte der beiden Tage für die jungen Geflüchteten aus Neumarkt. In zwei Gruppen machten sie sich Ende August 2017 für je einen Tag auf in die Hersbrucker Schweiz.  Auf die jungen Geflüchteten, die von der Jugendhilfestation Neumarkt der Rummelsberger Diakonie betreut werden, wartet dort ein erlebnispädagogisches Programm.

Ermöglicht wurde diese Aktion durch das Engagement der Künstlerinnen und Künstler von Artists for Refugees.

Ziel der Aktion war es, die Selbstwirksamkeitskräfte und das Selbstvertrauen dieser jungen Menschen zu stärken. Alle beteiligten Jugendlichen sind alleine aus Krisengebieten geflohen und haben derzeit in Neumarkt eine Zuflucht gefunden. Darunter sind auch Imran und Mahdi, beide aus Afghanistan. An einem Herbstnachmittag besuche ich Imran und Mahdi in Neumarkt und spreche mit ihnen über ihren Weg nach Deutschland, ihr Leben hier und vor allem wie sie den Tag in der Hersbrucker Schweiz wirklich erlebt haben und was er in ihnen bewirkt hat:

 

„Das war der schönste Tag, seit ich in Deutschland bin.“ So beschreibt Imran Ali den erlebnispädagogischen Tag in der Hersbrucker Schweiz.

Imran und Mahdi, vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit nehmt. Wie seid Ihr hierher nach Deutschland gekommen?

Imran: Ich war zuerst in Rosenheim und kam dann nach Neumarkt.

Mahdi: Bei mir ging es direkt nach Neumarkt.

 

Wenn das für Euch in Ordnung ist, würdet Ihr ein Bisschen über Eure Flucht erzählen?

Imran: Das war schlimm, richtig schlimm.

Mahdi: Ja, die Schlepper haben einen immer dahin gebracht, wo keiner war. Es war oft sehr eng. Manchmal waren wir mit bis zu 80 Leuten in einem Raum untergebracht.

Imran: Ja, auch in Autos wurden sehr viele Leute reingestopft. Manchmal 13 bis 15 Leute, aber so, dass nur fünf Menschen sichtbar waren. Ich war zum Beispiel mal während der Fahrt im Fußraum versteckt. Viele sind auf diesen Transporten gestorben. Zum Beispiel Leute, die Asthma hatten. Vor allem im Iran war es ganz schlimm. Im Iran schießen sie einfach auf einen. Viele wurden krank, manche hatten Herzinfarkte.

 

Über welche Länder kamt Ihr hierher?

Imran: Ich bin 2015 los, war im Iran, in der Türkei, Bulgarien, Serbien, Österreich. Einmal war ich in einem Boot, das von der Türkei aus losfuhr. Doch dann ging es kurz nach dem Ablegen kaputt und wir landeten wieder in der Türkei.

Mahdi: Ich bin 2014 in den Iran. Dort war ich ein Jahr. Dann bin ich auch über die Balkanroute geflohen.

 

Wie ist Euer Leben hier in Neumarkt mittlerweile?

Imran: Ich mache mittlerweile eine Ausbildung zum Krankenpfleger.

Mahdi: Ich darf keine Ausbildung machen, weil Afghanen das nicht dürfen.

Imran: Ja, ich hatte Glück, diesen Ausbildungsplatz noch zu kriegen.

Mahdi: Ich besuche die Mittelschule.

 

Habt Ihr genehmigtes Asyl?

Beide schütteln den Kopf.

Die Mitarbeiterin Jugendhilfestation erklärt: Beide bringen sich ein, so gut es ihnen erlaubt ist. Sie haben eine hohe soziale Kompetenz, machen immer ihre Sachen.

Imran: Wir spielen auch Kricket. Das ist ein beliebter Sport in Afghanistan. Das haben wir selbst organisiert und sind jetzt damit beim ASV Neumarkt.

 

Macht ihr sonst noch Sport?

Mahdi: Ich würde gerne ins Fitnessstudio, aber die nehmen derzeit keine Geflüchteten mehr, da man nie weiß, ob und wann jemand abgeschoben wird.

 

Habt Ihr viel Kontakt mit Einheimischen?

Mahdi: Eher wenig. In der Schule ist das möglich. Zudem macht eines der Gymnasien ein Projekt mit uns Geflüchteten.

 

Hier findet Ihr Impressionen des ersten Tages.

Klickt Euch durch die Bildergalerie des zweiten Tages.

Wie war die Aktion in der Hersbrucker Schweiz für Euch, die durch die Spenden, die über Artists for Refugees eingingen, finanziert wurde?

In den Gesichtern erscheint ein Strahlen.

Imran: Das war der schönste Tag, seit ich in Deutschland bin.

Mahdi: Das war gut! So etwas, so zu klettern, hab ich noch nie vorher gemacht. Da war ein ganz schön schwieriger Part dabei, den ich gemacht habe.

Imran: Wir haben Vertrauen aufgebaut. Das war toll. Für uns und untereinander. Zum Beispiel mussten wir uns als Gruppe organisieren, ohne dass wir miteinander reden durften. Wir lernten, ganz eng miteinander zu handeln. So waren wir vorberietet, im Notfall auch am Berg ohne Scheu zu handeln.

Als wir dann klettern bin ich bis Level drei geklettert.

Unsere Betreuerinnen sind auch alles mitgeklettert. Und jeder von uns konnte sich und den anderen zugestehen, etwas nicht zu schaffen.

 

Gab es etwas, das Euch besonders in Erinnerung geblieben ist?

Imran: Ich gebe zu, zuerst hatte ich gar nicht so recht Lust. Doch jetzt weiß ich, wie sehr ich mich geärgert hätte, wäre ich nicht mitgegangen.

Mahdi: Ich denke noch oft an die Situation, als wir uns nach unten abgeseilt haben. Wir sind dabei sogar über eine Kante gegangen. Das zu machen ohne zu sehen, was dahinter ist, und dabei zu erfahren, dass das Seil hält – ich hatte zuerst wirklich Angst und dann so ein gutes Gefühl in mir.

Imran: Es war auch toll zu erleben, wie die Gruppe sich gegenseitig gestützt und aufeinander aufgepasst hat.

 

Wie würdet Ihr alles zusammen fassen? Was war toll, was hat Euch nicht so gut gefallen?

Mahdi: Für alle in unserer Gruppe gilt: So etwas haben wir noch nicht erlebt. Es war schwierig, aber es war so gut. Wir haben am Ende eine Runde gemacht, in der auch jeder erzählt hat, was ihm am anderen gut gefallen hat an diesem Tag.

Imran: Ich erinnere mich auch daran, wie einer erzählt hat, wie viel Angst er am Anfang hatte, und dass er jetzt Level 3 klettern kann – zwar mit hohem Puls, aber gut.

 

Und was hat Euch nicht so gut gefallen:

Mahdi: Es war zu kurz. (lacht)

Habt Ihr einen Wunsch?

Imran: Ja. Ich möchte hier meine Ausbildung schaffen und in Sicherheit hier in Deutschland leben. Hier geht das. In Sicherheit leben, ohne Angst, jetzt. Hier gibt es gute Menschen. Alleine die Polizei – sie hilft sofort. In Afghanistan kommt die Polizei erst gar nicht. Oder das Krankenhaus: Wenn etwas ist, kommt niemand in Afghanistan. Ich musste mal eine Person drei Stunden lang auf meinen Schultern zum Krankenhaus tragen. Hier ist das ganz anders. Ich will hier weiter meinen Weg gehen.

Mahdi: Ich möchte hier glücklich werden, ich möchte anerkannt werden und die Sicherheit haben und meine Zukunft planen.

Imran: Manchmal weiß ich nicht, was noch kommt und warum ich weiter lernen soll, wenn ich nicht weiß, ob ich hier bleiben kann. Doch ich bleibe dran, ich hänge mich rein. Was schön ist, ist dass wir hier so super Betreuerinnen und Betreuer haben. Ich habe großes Vertrauen.

Mahdi, Imran – herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview mit Imran (li) und Mahdi (re) im Herbst 2017 in Neumarkt.

Imran (li) und Mahdi (re) beim Gespräch.

Die Geschichte von Imran und Mahdi hat Dich berührt? Du willst Dich auch für Geflüchtete einsetzen? Das ist toll!